Engagement plus
Dagmar Westhoven seit 30 Jahren im Vorstand der HFR

 

Wer 30 Jahre in führender Position eines Vereins ist, wird gemeinhin als verrückt bezeichnet. Um die klinische Variante auszuschließen, wird flugs das Attribut positiv hinzugefügt. Nichts desto trotz stellt man sich dennoch auch bei positiv Verrückten die Frage, wer sich dies in der heutigen Zeit noch antut, bedenkt man den damit zwangsweise verbundenen beispielsweise finanziellen wie zeitlichen Aufwand. Und bedenkt man darüber hinaus, dass sich die Halbwertzeit des Erinnerns derjenigen, die von diesem Aufwand profitieren, vermutlich in Monaten bemisst und sich die eigenen Vorteile – so sich denn überhaupt welche ergeben – im überschaubaren Rahmen bewegen, kann man nur sagen: Chapeau! Chapeau für eine höchst engagierte wie erfolgreiche Züchterin, Chapeau für eine höchst engagierte wie kompetente Funktionärin, Chapeau für einen Menschen mit sozialer Kompetenz und Charakter!

Anders als bei der bis dato ungeklärten Frage wie die Jungfrau zum Kinde kam, ist bei Dagmar die Antwort auf die Frage wie sie zu den Haflingern kam exakt die, die viele andere so auch geben könnten. Man machte mit den Eltern Urlaub in den Alpen, sah und verliebte sich in Haflinger und nahm halt eine Stute mit Fohlen bei Fuß aus Bayern mit. Die hatte zwar für damalige Verhältnisse mit 1,45m Gardemaß und war für die großgewachsenen Westhovens als Reitpferd akzeptabel, war allerdings gestiefelt und mit Stichelhaar gesegnet, und somit eigentlich nicht das, was man sich für eine erfolgreiche Zucht hätte vorstellen können. Aber das war auch nicht der primäre Aspekt, denn Dagmar, ihre Eltern und ihr Bruder hatten zunächst nur das freizeitreiterliche Vergnügen im Sinn. Dennoch hat die Marina von Merci den Grundstein für die Zuchtstätte Westhoven gelegt, die aber erst mit dem Kauf der 1975 geborenen und eineinhalbjährig 1977 auf der Equitana von der westfälischen Züchterlegende Hans Wißbrock erworbenen Merry von Mandl aus der Ariane von Adlerschild den richtigen züchterischen Schub bekam. Zwar schieden sich in den späten 70er Jahren zunächst die Geister an dieser 1,50m messenden Stute, und die Anfangserfolge waren überschaubar, aber die Vererbungskraft der Merry auch mit sehr unterschiedlichen Hengsten ließ keine Wünsche offen. Neben vielen anderen Erfolgen, die im Detail aufzuzählen den Rahmen sprengen würden, seien nur Nasall von Nissan, der Vater des Superhengstes und Bundessiegers Nastral und die St.Pr.St. Afra von Alfi erwähnt, die Bundessiegerstute 1988 in Walldorf war. Neun ihrer insgesamt fünfzehn Fohlen sind in Deutschland eingetragen, davon fünf als Staatsprämienstuten und vier als gekörte Hengste, und der Stutenstamm der Merry kann bis heute 25 Staatsprämienstuten und 19 gekörte Hengste alleine für die Zuchtstätte Westhoven vorweisen und auf 158 LPO Turnierplatzierungen bis zur Kl. M verweisen. Noch Fragen?

1983 wurde Dagmar Westhoven Mitglied des Westfälischen Haflingervereins e.V., ein Jahr später trat sie den Haflinger Freunden Rheinland e.V. bei und wurde 1985 zur 2. Vorsitzenden gewählt. Gemeinsam mit dem damaligen 1. Vorsitzenden Günter Schneider konnten in der Hochzeit der Pferdezucht viele neue Haflingerzüchter und –freunde gewonnen werden, doch schon in den späten 90ern und um die Jahrtausendwende war die ehemalige Herrlichkeit  der Zucht auf ein überschaubares Maß geschrumpft, so dass wir in unserer gemeinsamen Verantwortung von 2003 bis 2011 für den Verein überlegen mussten, wie die Attraktivität gesteigert werden könnte. Und damit wurde mit den Haflinger Infotagen, der Integration der Fohlenschauen in Haflingerturniere und einer Vielzahl von Angeboten für Anfänger wie Fortgeschrittene erfolgreich auf die Schiene Sport gesetzt – ohne die Freizeitreiterei und die Zucht zu vernachlässigen. Seit 2011 ist Dagmar 1. Vorsitzende der Haflingerfreunde Rheinland e.V. und mit einer großen Schar eifriger Mitstreiter auf vielen reitsportlichen Veranstaltungen präsent. Über die Vereinstätigkeit hinaus war sie jahrelang  Vorsitzende und ist derzeit  Stellvertr. Vorsitzende der AGH verknüpft mit den Tätigkeiten im Rassenparlament der FN wie im Europaverband der Haflingerzüchter – natürlich neben weiteren Aktivitäten wie beispielsweise im Kreispferdezuchtverband oder als Richterin bei Fohlenschauen und Eintragungen.

Ach ja, berufstätig ist sie natürlich auch und betreibt als Versicherungskauffrau eine eigene Agentur. Wenn dann noch Zeit bleibt gibt es sogar ein Privatleben, was auch von ihrem Lebensgefährten Uwe durchaus bestätigt wird, und es gibt hin und wieder mal eine Reise in den Lieblingskontinent Afrika. Dennoch fragt man sich, ob sie ihre herrliche Anlage in Bad Honnef, ein wirkliches Kleinod, das sie seit 1993 bewohnt, bei all ihren Aktivitäten richtig schätzen und auch genießen kann. Dagmar liebt und lebt Haflinger und engagiert sich für diese, nimmt sich Zeit für Interessenten, informiert und berät, argumentiert ohne zu oktroyieren, vermittelt in ihrer ruhigen und zurückhaltenden Art. Für die Haflingerszene wären weniger „Glaubenskrieger“ und mehr solcher Dagmars wünschenswert.

Eberhard Spindler

 
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